Am Fluss der Zeit Wiki
Ballade
Ich grüße dich!
Wie ich dir in meinem letzten Brief schon berichtete, konnte ich meine Stelle als Korrespondent im Auftrag des Aventurischen Boten unjüngst antreten. In dieser Position habe ich ein halbwegs erkleckliches Zusatzeinkommen, und ich habe genügend Muße, dir in steter Regelmäßigkeit Informationen der Art zukommen lassen, die du wünschst.
Dieses raue Land hier oben liegt das halbe Jahr in Frost und Dunkel; es ist kein Wunder, dass diese thorwalschen Mannen Aggressionen entwickeln, unter denen in der wärmeren Jahreszeit die ganze zwölfgöttergläubige Menschenheit zu leiden hat, wenn sie bei ihren Raubzügen über unsere Küsten, Schiffe und Städte herfallen. Im Wind der eisigen Böen verwandelt gefrorene Gischt die primitiven Holzhüttensiedlungen in absonderliche Eislandschaften.
Schon Mitte Travia — aber spätestens Anfang Boron — werden die letzten Drachenboote in die Schuppen gezogen, denn nur so können sie den langen Winter, das Eis und die Stürme überstehen. Dann versinken die Siedlungen im Dunkel, monatelang wird es gar nicht mehr richtig hell.
Diese wilden Barbaren frönen dann ungezügelten Gelagen, in deren Gefolge es zu blutigen Schlägereien kommt, und mancher Trunkene nach dem Austritt im Schnee erfriert.
Auch an dem Abend von dem ich dir berichten will — der längsten Nacht des Jahres am letzten Tag des Mondes Hesinde — fand im Langhaus der Fürstenburg auf Einladung Hetmann Trondes ein großes Gelage statt. Berühmte Helden berichten in dieser Nacht traditionell von ihren Reisen und Taten, und mancher Weitgereiste oder Fremde, der in Thorwal überwintert, und natürlich die erfahrenen thorwalschen Kapitäne, erzählen von fernen Ländern.
Als der berühmte Thorwaler Beorn anhub, von seiner Güldenlandfahrt zu berichten, wurde es still im Langhaus. Gebannt lauschten die Gäste dem Bericht von seiner jüngsten Reise übers Meer der Sieben Winde ins legendäre Güldenland, der reichen Beute, den seltsamen Wesen mit Kranichköpfen... Da plötzlich springt Philleason Foggwulf — wahrscheinlich der größte und gefährlichste der thorwaler Kaperkapitäne — auf die Festtafel. Bierkrüge scheppern zu Boden. Philleason biegt sich vor Lachen und ruft lauthals durch die Halle: 'Das ist das allergrößte Seemannsgarn, das jemals gesponnen wurde! So wahr ich selber schon mit meiner Otta vor Güldenland gekreuzt bin! Ich habe keine Kranichwesen dort gesehen und du Jarl Beorn, bei all den spinnerten Geschichten, die du hier zum Besten gibst, wärst besser ein singender klingender Spielmann und Skalde geworden, denn ein Drachenführer...'
Eisiges Schweigen. Du musst wissen: Einen Thorwaler der Lüge zu bezichtigen, ist die tödlichste aller Beleidigungen. Man hörte das leise Scharren der Dolche.
Da hallt die Stimme von Hetfrau Garhelt durch den Raum: 'Ich werde nicht zulassen, dass sich meine besten Drachenführer wegen solcher Kleinigkeiten die Kehlen aufschlitzen. DAS WOHL! Beorn! Philleason! Ihr seid wahrscheinlich die am meisten bewunderten Kapitänen unseres Volkes und unzählige Lieder erzählen von euren Heldentaten. Nun denn! Es ist an der Zeit festzustellen, welcher von euch beiden der Größte ist. Ihr sollt um ganz Aventurien reisen und gefährliche Abenteuer bestehen. Wer von euch beiden sich dabei als der Bessere erweist, darf sich fortan 'König der Meere' heißen und wird von mir reich belohnt werden.'
Die Hetfrau erklärte die Regeln — und zehn Tage später brachen die beiden Kapitäne mit frischen Mannschaften auf. Stell dir vor: mitten im Winter richteten sie ihre Fahrt gen Norden...! 80 Wochen soll die Wettfahrt dauern und wird dann erst im Sommer des Jahres 1009 beendet sein... wenn sie denn überhaupt lebendig zurückkehren.
Dein ergebenster Freund und treuer Diener
Waldwart Bernstein
Thorwal im Jahre 14 Seiner Allergöttlichsten Magnifizienz Kaiser Hal
Firun — 4 — 1007 BF

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